Der Schöneberger Norden, das Quartiersmanagement und die Verstetigung

Die Förderung aus dem Programm Soziale Stadt wird im Schöneberger Norden nach über 20 Jahren intensiver Arbeit am 31. Dezember 2020 beendet. Das Quartiersmanagement (QM) wird verstetigt. Das entschied die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen 2018 auf Grundlage eines Gutachtens.

Beim "Langen Tag der Bildung" im Jahr 2013

Fest der Religionsgemeinschaften 2018

Gemeinschaftlich Gärtnern im Frobengarten

Beim Großgörschenstraßenfest 2016

Das QM-Team im Verstetigungsmodus: Eva Schuh, Peter Pulm, Kadriye Karci, Ute Großmann (v.l.n.r.)

So wurden Bildertafeln des Projekts "Historische Orte sichtbar machen" platziert

Quartiersratsstammtisch vor Corona

Detail: eine Bildertafel des Projekts "Historische Orte sichtbar machen"

Der Präventionsrat, kurz "PräRat", ist eine Institution im Schöneberger Norden

Der neue Spielplatz im Nelly-Sachs-Park

Netzwerk der Religionsgemeinden: Erstes öffentliches Fastenbrechen im Kleistpark 2017

Der Pallasgarten 2016

Beim Bildungsfest 2015

Das QM-Büro im Pallasseum seit 1999

Aktion von Anwohner_innen gegen Drogenhandel im KulmerKiez

Hip Hop im Lilli-Flora-Park 2019

2016 gab es eine Urkunde und den Titel "Grün-soziales Modellquartier"

Ein gutes Zeugnis vom Gutachter

Vor zwei Jahren hatte ein Gutachter für die Senatsverwaltung 16 Berliner Soziale-Stadt-Gebiete auf ihre "Verstetigungsreife" hin untersucht. Für den Schöneberger Norden kam er zu dem Ergebnis, dass sich der Stadtteil aufgrund der guten gemeinsamen QM-Arbeit positiv entwickelt hat und heute stabile Sozialdaten aufweist. Er verfügt über ausreichend soziale Einrichtungen und es ist ein gutes Netzwerk von Einrichtungen und Akteuren entstanden. In anderen Berliner Stadtteilen sieht die Situation ganz anders aus. Hierhin sollen die Mittel des Programms in Zukunft fließen.

Am Ende wird man auf mehr als 20 Jahre spannende Arbeit in einem Stadtteil zurückblicken können, in dem über 17.000 Menschen wohnen und der Ende der 90er Jahre als „sozialer Brennpunkt“ in einer teilweise sehr schwierigen Lage war. Ein Zeitraum, in dem gemeinsam viel entwickelt und umgesetzt wurde, in dem auch ausprobiert wurde und vor allem vieles funktioniert hat. Eine Zeit, in der es für das QM immer um die im Quartier lebenden Menschen ging, um die Verbesserung ihrer Wohn- und Lebenssituation, um Nachbarschaft und Bildung, um Gesundheit und lokale Ökonomie, um Beteiligung der Menschen an der Entwicklung ihres Stadtteils. Auch hat eine gute und kreative Zusammenarbeit mit den Akteuren im Quartier die Stärkung der hier Lebenden und ihrer Teilhabemöglichkeiten bewirkt.

Auch wenn das absehbare Ende des QM im Schöneberger Norden zu einem Blick in diese spannende Vergangenheit verlockt, bleibt der QM-Blick bis zum Schluss nach vorne gerichtet, denn die guten und erfolgreichen Handlungsansätze und Projektideen, die in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren für die Menschen entwickelt wurden, sollen weiter bestehen bleiben. Hierauf ist der Fokus gerichtet.

Verstetigung macht Arbeit - aktuelle Themen und Projekte im QM Schöneberger Norden

Das Team-QM hat die Ideen 2018 im Aktionsplan 2018 zusammengefasst und Anfang 2019 veröffentlicht. Hier ein paar Blitzlichter auf aktuelle, zukunftsgerichtete Aktivitäten aus der Förderkulisse des Programms Soziale Stadt:

Bau des CAMPUS der Generationen

Der neue CAMPUS soll in Zukunft eine wichtige Rolle als Stadtteilzentrum übernehmen und Ankerpunkt für quartiersbezogene Aktivitäten sein. Hier soll einrichtungs- und generationsübergreifend gedacht und gehandelt werden. Hier werden quartiersbezogene Initiativen ihre Heimat finden und Veranstaltungen und Angebote möglich sein. Der CAMPUS umfasst das Nachbarschafts- und Familienzentrum Kurmark und die Jugendeinrichtung Villa Schöneberg. Die beiden Gebäude aus den 60er Jahren werden von der Gewobag abgerissen,an gleicher Stelle neu gebaut und durch Mietwohnungen ergänzt. Dritte im Bunde ist die Kita „Haus der Kinder“. In den CAMPUS werden Fast 9 Mio. € aus dem Programm Soziale Stadt investiert. Der Abriss beginnt 2020. Wenn alles gut läuft, ist der CAMPUS 2024 fertig.

Sicherung der Netzwerke im Quartier – zwei Beispiele

Das „Regionale Bildungsnetzwerk Schöneberg Nord“ wurde 2008 gegründet und heißt jetzt Bildungsverbund. In dem Netzwerk sind ca. 15 Akteure und Einrichtungen wie Kitas, Grundschulen, Nachbarschafts- und Jugendeinrichtungen engagiert. Das Jugendamt Tempelhof-Schöneberg ist Träger. Das QM-Projekt „Wir wollen Wissen“ hat 2018 und 2019 die Zusammenarbeit im Bildungsnetzwerk gestärkt und neue Akteure eingebunden. So konnte das Netzwerk ein eigenes Leitbild, einen Leitfaden zu Gewaltprävention entwickeln und Fachtage und das Bildungsfest 2019 durchführen.

Das „Netzwerk der Religionsgemeinden“ leistet seit 2006 einen wichtigen Beitrag zu einem respektvollen und gleichberechtigten Miteinander im Schöneberger Norden. Es hat immer wieder öffentliche Veranstaltungen wie Fastenbrechen, Feste der Religionen, Fußballturniere oder Vorträge organisiert. Das QM-Projekt „Netzwerk der Religionsgemeinden“ stärkt aktuell die Selbstorganisation der beteiligten Gemeinden und initiiert und unterstützt gemeinsame Aktionen.

Erhaltung von Beteiligungsansätzen im Quartier – zwei Beispiele

Der Quartiersrat und die Aktionsfondsjury sind als wichtige Gremien zur Vergabe von Soziale-Stadt-Mitteln entstanden. Der Quartiersrat hat sich seit 2006 zu einer aktiven „Interessenvertretung für den Stadtteil“ entwickelt und war in dieser Rolle immer wieder erfolgreich. Seit 2012 bereitet er mit Unterstützung des QM-Projektes „Wir machen weiter“ intensiv auf die Weiterarbeit nach 2020 vor. In diesem Jahr wirkt er wieder verstärkt in der Öffentlichkeit und öffnet sich weiter für aktive Bewohner/innen aus dem Schöneberger Norden. Die Aktionsfondsjury wird noch bis September 2020 Mittel für kleine nachbarschaftsorientierte Projekte vergeben können.

Mit QM-Unterstützung ist im Schöneberger Norden in Bezug auf Grün und Nachbarschaft ein Level erreicht worden, das 2016 zur Auszeichnung als Grün-Soziales Modellquartier der Deutschen Umwelthilfe und 2019 zur Auszeichnung durch die UN-Dekade Biologische Vielfalt geführt hat. In 10 Jahren sind drei selbstverwaltete Bewohner- und Gemeinschaftsgärten, verschiedene nachbarschaftliche Initiativen und ein quartiersbezogenes Gartennetzwerk entstanden. Damit diese Entwicklung nicht abbricht, unterstützt das QM-Projekt „GartenAktiv“ die bestehenden Initiativen im Quartier und begleitet sie bis Ende 2020 in die Selbstständigkeit.

Präventionsrat Schöneberger Norden – Das Forum für Alle

Der Präventionsrat bewährt sich seit 1998 als wichtiges öffentliches Forum für Information, Austausch und Beteiligung. Er wird von Bewohner/innen, Quartiersrät/innen, Gewerbetreibenden, Vereinen, Initiativen, Trägern, Institutionen, Polizei, öffentlicher Verwaltung und Politik getragen und genutzt. Der bisher vom Bezirk und QM gemeinsam angebotene Präventionsrat soll in Zukunft vom Bezirksamt TempelhofSchöneberg weitergeführt werden.

Stadtteilkoordination plus

2018 haben die Bewohner/innen und Akteure im Quartier deutlich gemacht, dass es nach 2020 einer für den Schöneberger Norden zuständigen Stadtteilkoordination bedarf, die wichtige Aufgaben wie Vernetzung und Beteiligung weiterführt, für Bewohner/innen und Akteure im Stadtteil ansprechbar ist und die sich aus dem Quartier heraus um aktuelle Herausforderungen vor Ort kümmern kann. Aus diesem Grunde wurde das Projekt „Stadtteilkoordination plus“ in die Soziale-Stadt-Förderung gebracht. Die neue Stadtteilkoordinatorin hat ihre Arbeit im August 2020 aufgenommen. Sie arbeitet eng mit der Regionalkoordination des Bezirksamtes zusammen.

Noch laufen wichtige Soziale-Stadt-Projekte – einige Beispiele

Seit 2018 stehen keine neuen Mittel mehr für neue größere Projekte zur Verfügung. Es befinden sich aber noch wichtige Projekte in der Förderung, die überwiegend bis Ende 2020 laufen. Hier geht es auch um Zukunftsperspektiven. Einige Beispiele:

Die „Bildungsbotschafter/innen in Kita, Schule und Stadtteil“ sind ein sehr erfolgreiches Projekt zur Stärkung von Eltern durch Eltern in Sachen Bildung. Die Projektidee entstand im Schöneberger Norden und wurde hier so weit entwickelt, dass sie mittlerweile auch in anderen Soziale-Stadt-Gebieten in Neukölln und Mitte umgesetzt wird.

Das Projekt „Kreativ im Kiez“ macht Angebote für Jugendliche und fördert damit das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gesellschaft und wirkt gewaltpräventiv. Der Projektträger „Die Kulturellen Erben e.V.“ hat sich zunehmend zu einem wichtigen Partner der Quartiersentwicklung entwickelt und strebt eigene Räumlichkeiten im Quartier an.

Das Projekt „Nachbarn in Bewegung(-slandschaft)“ baut selbstorganisierte, niedrigschwellige und lebensweltnahe Bewegungsangebote gemeinsam mit Bewohner/innen auf und will sie langfristig im Stadtteil sichern. Die im Projekt ausgebildeten Multiplikator/innen sind als Kiez-Sport-Übungsleiter/innen anerkannt und machen eigene Angebote. Das entstehende Netzwerk soll über 2020 hinaus weiter arbeiten.

Das Projekt „Nachbarschaft im Kurfürstenkiez“ kümmert sich in der Kurfürstenstraße um das Thema Nachbarschaft und Prostitution. Es geht z.B. um den Abbau von Konflikten, um Informationen zum Thema Prostitution in den Einrichtungen und Nachbarschaften, um die Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte in den Einrichtungen im Gebiet und um die Sicherung der geschaffenen Netzwerke im Quartier.

QM übergibt den Staffelstab

Das QM hat sich im Rahmen seiner Aufgaben erfolgreich um Themen und Herausforderungen im Schöneberger Norden gekümmert. Positive Beispiele sind die Entwicklung von Netzwerken, die Verbesserung von Spielplätzen, Parks, Stadtplätzen sowie Schul- und Kita-Freiflächen. Ein Thema, welches nicht abschließend bearbeitet werden konnte ist z.B. der Erhalt der Gertrud-Kolmar-Bibliothek.

Dass das Pallasseum 2018 in kommunales Eigentum übergegangen ist, ist für die Zukunft der Wohnanlage von entscheidender Bedeutung, um die Situation im und um das Pallasseum bewohnerorientiert beeinflussen zu können.

Außerhalb der Möglichkeiten des QM liegen eine dauerhafte Beeinflussung des Drogenmißbrauchs und der Prostitution und die Gewaltprävention. Auch Fragen der Entwicklung des Wohnungsmarktes sind aus dem Quartier heraus kaum zu beantworten. Dennoch konnten Handlungsansätze entwickelt werden, die von anderen Akteuren weiterverfolgt werden. Dem Bezirksamt Tempelhof Schöneberg kommt hier eine besondere Bedeutung zu. So wurde frühzeitig eine Regionalkoordination installiert. Der gesamte Schöneberger Norden ist heute ein Milieuschutzgebiet. Im Schöneberger Norden gibt es seit 2019 eine offene Mieter- und Sozialberatung. Ein bezirklicher Verfügungsfonds soll für das Quartier bereitgestellt werden.

Der Stadtteil Schöneberger Norden bedarf auch in Zukunft einer besonderen Aufmerksamkeit. Weitere Anstrengungen im Sinne der Bewohner/innen sind erforderlich. Noch immer lebt ein Drittel der hier lebenden Menschen von Transfereinkommen, 50% der im Schöneberger Norden lebenden Kinder gelten als arm.

Wenn es dem QM bis zuletzt und den anderen Akteuren im Quartier gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern darüber hinaus gelingt, diese Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, kann der Stadtteil in eine gute Zukunft gehen.

Weitere Informationen finden Sie auch auf dem Berliner QM-Dachportal unter www.quartiersmanagement-berlin.de

Text: Peter Pulm, Fotos: QM Schöneberger Norden / GB

Dieser Artikel erschien in leicht geänderter Fassung auch im Kiezmagazin "Schöneberg".